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Dienstag, 22. Januar 2013, 16:13

Energiewende - mal ein bisschen Input

http://www.youtube.com/watch?v=VzX8Aa0YmTU

Vielleicht interessant für Leute, die den Wissensstand erweitern wollen

Cato

Ehemaliges Teammitglied

Beiträge: 997

Registrierungsdatum: 31.01.2012

Wohnort: Österreich

  • Private Nachricht

2

Mittwoch, 23. Januar 2013, 09:34

Sorry, aber ich halte den Beitrag für totalen Mist. Ich bin jetzt sicher kein Lobbyist der "konventionellen Energie", aber dieser Fiction-Film ist in weiten Teilen einfach verschwörungstheoretisch und nicht ganz ehrlich. Da wird künstlich ein Gegensatz zwischen fossilen Energieträger (importiert aus totalitären Ländern! - ganz zu Beginn wurde gesagt, dass die meiste Steinkohle aus Australien kommt, das als ultraautoritär bekannt ist. Ich würde mich nichtmal trauen, Russland als totalitär zu bezeichnen) konstruiert. Auf die Kernenergie, auf deren Verzicht die Energiewende eigentlich beruht, wird praktisch gar nichts gesagt. Mehr braucht man eigentlich nicht zu dem Film zu sagen, denn das ist eine so extreme Lücke und Verzerrung der Wirklichkeit, dass das den Beitrag völlig die Legitimation nimmt. Denn die Schließung der Kernkraftwerke ist eigentlich das, was die Versorgung schwieriger macht, es stand nie zur Debatte Kohlekraftwerke abzuschaffen.
Dann wird wieder die Wahrheit verdreht wie: "gegen 18 Uhr, wenn die Sonne nicht mehr scheint, steigen die Energiepreise" - die Strompreise waren IMMER schon zu der Zeit besonders hoch, weil da die Leute einfach kochen, fernsehen, ihre Waschmaschine einschalten usw.
Der "völlig unabhängige Wirschaftsexperte", der vorrechnet, dass der Strom eigentlich billiger sein müsste, kommt von einer Firma namens "Renewal Analytics" - ihm geht es natürlich "nur um die nackten Zahlen, mit öko-alternativem Umweltschutz hat er gar nichts am Hut" - ist klar, bei dem Firmennamen.
Der Gipfel der Lächerlichkeit ist wohl, dass behauptet wird, die Politik würde versuchen die Energiewende zu sabotieren, indem sie die Photovolatikindustrie gängelt! Also echt mal - was da an Förderungen rausgehauen wurden, an Rettungen für durch den internationalen Druck ins Wanken gekommene Produzenten - das hat die Politik doch nicht aus Spaß gemacht oder als Ablenkungsmanöver!
Bei Minute 29 kommt eine sehr lohnenswerte Szene: der personifizierte Kapitalist - stilecht mit Dollarkravatte, beleibt, schmierig, schwitzend - regt sich über die Berichterstattung der "linken Kampfpresse" auf. Solche Karikaturen erinnern mich am ehesten an Nazipropaganda, umso befremdlicher, dass sich der Autor gleich darauf über den "beständigen Strom von Anti-Energiewende-Propaganda" von Spiegel und der FAZ (trololol die sind ja bekannt für ihre ultrarliberale Wirtschaftspropaganda!) aufregt.
Man kann eigentlich an beliebigen Stellen einschalten, überall höre ich sehr eigenwillige Interpretation der Aussagen der "Zeugen" durch den Sprecher: bei 35:45 fragt er Ramsauer, ob die Regierung erst mit Fukushima wirklich auf den Ausbau der erneuerbaren Energie forciert und das vorher einfach verschlafen hat. Ramsauer antwortet: nein, zu dem Zeitpunkt sind diese Sachen erst öffentlich bewusst geworden, die Bemühungen zur Energiewende gabs vorher schon. Farenkski interpretiert diese Antwort als "Ja" auf seine Frage. o.O

Immer dann, wenn nicht mehr nach Schuldigen gesucht wird und keine Verschwörungstheorien ausbegreitet werden und stattdessen Möglichkeiten für die persönliche Energiewende aufgezeigt werden, wird der Film viel besser. Aber der personifizierte Kapitalismus kommt leider immer wieder zurück, und mit ihm die zum Teil doch sehr abenteuerlichen Vorstellungen.
Ceterum censeo.... ach, was soll's.

Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von »Cato« (23. Januar 2013, 10:32)


3

Mittwoch, 23. Januar 2013, 16:50

Ich werde einfach mal versuchen, sachlich auf deinen Beitrag
einzugehen, auch wenn du anscheinend sehr emotional getrieben wurdest^^


Zitat

Da wird künstlich ein Gegensatz zwischen fossilen
Energieträger (importiert aus totalitären Ländern! - ganz zu Beginn wurde
gesagt, dass die meiste Steinkohle aus Australien kommt, das als ultraautoritär
bekannt ist.



Anhand des Beispiels Australien und Kohle nun alle fossilen
Energieträger über einen Kamm zu scheren, ist ja wohl auch nicht korrekt. Das
Beispiel Australien zeigte, dass wir Energie gewinnen aus Rohstoffen, die wir
am anderen Ende der Welt abbauen. Du willst ja nun nicht ernsthaft leugnen,
dass Erdöl, der meisten genutzte Brennstoff in Deutschland, nicht aus
totalitären Ländern wie Saudi Arabien oder Qatar kommt, oder?


Zitat

Auf die Kernenergie, auf deren Verzicht die
Energiewende eigentlich beruht, wird praktisch gar nichts gesagt. Mehr braucht
man eigentlich nicht zu dem Film zu sagen, denn das ist eine so extreme Lücke
und Verzerrung der Wirklichkeit, dass das den Beitrag völlig die Legitimation
nimmt.


Denn die Schließung der Kernkraftwerke ist eigentlich das,
was die Versorgung schwieriger macht, es stand nie zur Debatte Kohlekraftwerke
abzuschaffen.



Auch das ist leider nicht korrekt so. Die reine Tatsache,
dass Fukushima sicher in der Politik den Ausschlag für die Abschaltung der
Atomkraftwerke gab, bedeutet noch lange nicht, dass sie die Grundlage für die
Energiewende ist. Die Energiewende bedeutet, sich von konventionellen
Energieträgern zu lösen und die Energiegewinnung hin zu regenerativen Energien
zu verschieben. Und gerade die fossilen Brennstoffe sind die Stoffe, die als
Rohmaterial bereits in den nächsten Jahren den Strom massiv verteuern werden.
Die Statistiken zur Preisentwicklung der fossilen Energieträger sind eindeutig,
wer das leugnet, kann genauso gut auch seine Geburt leugnen.


Auch ist es nicht korrekt, dass die Versorgung durch die
Schließung der Kernkraftwerke schwieriger werden würde – was Deutschland ja
sehr gut beweist. Ich habe jedenfalls bisher von keiner Stromknappheit
erfahren, im Gegenteil: Deutschland hat im Jahr 2012 so viel Strom exportiert
wie seit Jahren nicht mehr. Trotz Abschaltung der AKWs produzieren wir also
mehr Strom als vorher.


Zitat

Dann wird wieder die Wahrheit verdreht wie:
"gegen 18 Uhr, wenn die Sonne nicht mehr scheint, steigen die
Energiepreise" - die Strompreise waren IMMER schon zu der Zeit besonders
hoch, weil da die Leute einfach kochen, fernsehen, ihre Waschmaschine
einschalten usw.



Auch das wurde im Film relativ eindeutig erklärt, auch das
sogar mit Grafiken belegt, die eigentlich selbst erklärend sind. Zitat: „Erst
ab 21 Uhr, wenn die Nachfrage sinkt, sinkt auch der Preis“. Der Peak nach 18 Uhr
wurde also mit eingerechnet und hat ja in der Argumentation entsprechende
Relevanz. Der Punkt ist nämlich, dass obwohl der Strom den Tag über über die
Strombörse billiger gehandelt werden kann, weil die Photovoltaik Stromspitzen
glättet, der Preis, den die Konzerne an den Verbraucher abgeben, weiter steigt.
Während der Ökostrom den Preis also nach unten drückt, werden die Preise für
den Endverbraucher immer teurer.

Zitat

Der "völlig unabhängige Wirschaftsexperte", der vorrechnet,
dass der Strom eigentlich billiger sein müsste, kommt von einer Firma namens
"Renewal Analytics" - ihm geht es natürlich "nur um die nackten
Zahlen, mit öko-alternativem Umweltschutz hat er gar nichts am Hut" - ist
klar, bei dem Firmennamen.



Siehe oben. Ich kann durchaus verstehen, dass du dich an dem
Namen der Firma stößt, die Statistiken sprechen dennoch für sich. Wenn du diese
widerlegst, darfst du auch gerne ein persönliches Urteil über die
Unabhängigkeit des Wirtschaftsexperten abgeben.


Zudem: Selbst RWE und E.On rühmen sich mit Namen wie RWE
npower renewables oder E.ON Climate & Renewables. Es ist vollkommen normal
sich dem Klientel, das man bedienen möchte, über den Namen anzunähern.


Zitat

Der Gipfel der Lächerlichkeit ist wohl, dass behauptet wird, die
Politik würde versuchen die Energiewende zu sabotieren, indem sie die
Photovolatikindustrie gängelt! Also echt mal - was da an Förderungen
rausgehauen wurden, an Rettungen für durch den internationalen Druck ins Wanken
gekommene Produzenten - das hat die Politik doch nicht aus Spaß gemacht oder
als Ablenkungsmanöver!




Die Rettungen von Solarunternehmen darfst du mir gerne
aufzeigen. Die gab es nämlich nicht. Die deutsche Solarbranche als solche steht
aufgrund der harten Konkurrenz vor allem aus China am Abgrund. Nur einige Beispiele:


http://www.photovoltaik.eu/nachrichten/d…chft_100010106/


http://www.photovoltaik.eu/nachrichten/d…ello_100010099/


http://www.photovoltaik.eu/nachrichten/d…onic_100010091/


http://www.photovoltaik.eu/nachrichten/d…olar_100010076/


Zu den Förderungen: Wir zahlen in Deutschland eine
EEG-Umlage, also eine Zusatzsteuer, die die Förderungen für die Erneuerbaren
Energien auffangen soll und die Kosten direkt an den Privatverbraucher weiter
gibt. Bisher beliefen sich diese Förderungen seit 1990 auf knapp 67 Mrd. Euro.


Im Gegensatz dazu stehen werden die Subventionen für Stein-
und Braunkohle sowie Atomstrom nicht auf den Kunden direkt umgelegt – aber über den Bundeshaushalt und die
Länderhaushalte trotzdem über ihn bezahlt. Seit 1970 wurde aber Kohle mit 398
Mrd. Euro (213 Braun, 87 Stein) gefördert, Atomstrom mit 213 Mrd. Euro.


Rechnet man das auf den über den jeweiligen Energieträger
produzierten Strom um, kommen wir auf eine Förderung von 3,4 Cent pro
Killowattstunde für Erneuerbare, 1,3 Cent für Braunkohle, 3,3 Cent für
Steinkohle und, Achtung, 4 Cent bei Atomstrom.


Gänzlich aus diesen Rechnungen ausgelassen sind Folgekosten
über gesundheitliche Schäden, Lagerung von Atommüll, Landverlust durch Tagebau
und co.




Zitat

Bei Minute 29 kommt eine sehr lohnenswerte Szene: der personifizierte
Kapitalist - stilecht mit Dollarkravatte, beleibt, schmierig, schwitzend - regt
sich über die Berichterstattung der "linken Kampfpresse" auf. Solche
Karikaturen erinnern mich am ehesten an Nazipropaganda, umso befremdlicher,
dass sich der Autor gleich darauf über den "beständigen Strom von
Anti-Energiewende-Propaganda" von Spiegel und der FAZ (trololol die sind
ja bekannt für ihre ultrarliberale Wirtschaftspropaganda!) aufregt.



Nur so am Rande: Der Spiegel-Verlag produziert nicht nur den
Spiegel, sondern auch das Manager-Magazin. Das ist die einfachste Beweisführung
um die wirtschaftlichen Interessen des Spiegels darzulegen.


Zitat Goethe-Institut: „Geschäftsleute und Gebildete mit
besonderem Interesse für Wirtschaft lesen die Frankfurter Allgemeine Zeitung
(FAZ). Das bürgerlich-konservative Blatt berichtet aber nicht nur ausführlich
über Unternehmen, sondern umfangreicher als andere über außenpolitische Themen.“


Einfach.

Zitat

Man kann eigentlich an beliebigen Stellen einschalten, überall höre ich
sehr eigenwillige Interpretation der Aussagen der "Zeugen" durch den
Sprecher: bei 35:45 fragt er Ramsauer, ob die Regierung erst mit Fukushima
wirklich auf den Ausbau der erneuerbaren Energie forciert und das vorher
einfach verschlafen hat. Ramsauer antwortet: nein, zu dem Zeitpunkt sind diese
Sachen erst öffentlich bewusst geworden, die Bemühungen zur Energiewende gabs
vorher schon. Farenkski interpretiert diese Antwort als "Ja" auf
seine Frage. o.O



Auch hierzu eine einfache, kleine Story: Franz Alt war 1986
Politiker CDU und hat damals, nach dem Reaktorunglück in Tschernobyl, einen
offenen Brief an Helmut Kohl geschrieben, mit der Bitte, sich von der
Atomenergie abzuwenden. Zwei Jahre später ist er ausgetreten, weil es niemanden
in der politischen Spitze interessierte.


Und du hast doch selbst bereits gesagt (was leider völliger
Quatsch ist), dass die Energiewende erst wegen der Atomenergie (und damit nicht
zuletzt wegen Fukushima) vorangetrieben werden soll. Sinn der Energiewende ist
in diesem Falle lediglich die Zufriedenstellung des Bürgers. Das jedoch kann
und darf nicht das wahre Ziel der Energiewende sein.



Zitat

Immer dann, wenn nicht mehr nach Schuldigen gesucht wird und keine
Verschwörungstheorien ausbegreitet werden und stattdessen Möglichkeiten für die
persönliche Energiewende aufgezeigt werden, wird der Film viel besser. Aber der
personifizierte Kapitalismus kommt leider immer wieder zurück, und mit ihm die
zum Teil doch sehr abenteuerlichen Vorstellungen.



Der Kapitalismus in dieser Hinsicht zeigt sich vor allem
dadurch, dass große Energiekonzerne ihre wirtschaftlichen Interessen vor das
Wohl und die Gesundheit des Menschen stellen – aus Angst vor Profiteinbußen.
Der Punkt, der die Energiewende nämlich uninteressant macht für
Energiekonzerne, sind nicht etwa hohe Kosten, sondern vor allem die
Charakteristika der Energiewende: Dezentralität, Eigenproduktion. Sie stehen
der gewünschten Abhängigkeit des Kunden von den großen Versorgern nämlich im
Wege.


Es hat schon seinen Grund, warum mittlerweile
Kleinversorger, die 100% Ökostrom garantieren, ihren Strom billiger anbieten
können.